Dienstag, 16. Oktober 2012

Ich versteh die Welt nicht mehr

Oder: aus neu mach alt!

Dazugehören kann man heute nur, wenn man nicht dazugehört. Das haben schon viele festgestellt, darum sehen heute alle so aus, als wollten sie niemandem gefallen. Schönheit ist relativ geworden, schuld daran ist die Leggins (aber das ist eine andere Geschichte).

Das Phänomen greift um sich und die Gesellschaft applaudiert lautstark in die Hände. Akzeptieren müssen wir heute alles, was nicht in eine Schublade passt. Der Mensch entwickelt sich zurück zu dem, was er einmal war. Ein Rudel wird akzeptiert, wenn ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. Steht das Rudel einem egoistischen Ziel jedoch im Wege, jammert sich der Betroffene zum „Prügelknaben“ und übt den Aufstand. So haben wir heute die gesellschaftliche Pflicht unsere eigenen Ideen vom Leben durchzusetzen, die Nachfolge der Emanzipation der Frau ist die Emanzipation des Individuums. Klingt im ersten Moment logisch und nicht unbedingt zu verachten. Aber was ist der Preis? Abgesehen von optischen Ausprägungen, die ein bisschen mehr wie gewöhnungsbedürftig sind, funktionieren wir gemeinsam auch nicht mehr nach dem klassischen Prinzip. Man nennt das die Generation Y. Entscheide morgen, lebe heute. Keine Kompromisse. Probiere was gefällt. Lebe nach deiner Vorstellung. Aber was fehlt, ist die Vorstellung davon, was das genau sein soll.

Also bedienen wir uns an der Vergangenheit. Mode, Möbel, Musik, alles war schon mal da und wird mit einem pseudo-futuristischen Hauch in die Gegenwart integriert. Alt verpflichtet zu adel. Nicht etwa das alt-sein, mehr das alt-schein. Auch wenn das kein Wort ist, die Bedeutung ist wichtig. Auf Shoppingpages steht dafür das Synonym „Retro“. Was einmal normal war, muss heute cool sein. Ein Indiz für die Ideenlosigkeit unserer Generation? Erst haben wir alles kopiert, als das nicht mehr reichte haben wir uns nach den Ursprung gesehnt: Vintage. Wer von Grossmutti noch etwas ergattern konnte hatte Glück, der Rest musste sein Sparschwein plündern. Ein paar kreative Köpfe haben sich gegen diese kapitalistische Ausbeute des Erbes gewehrt und einen neuen Trend erfunden: die gezielte Zerstörung des Neuen. Mit Erfolg, heute kauft man Shabby-Chick.

Die gesellschaftliche Verantwortung dem Alter gegenüber bleibt dabei aber auf der Strecke. Wir verehren das Alte und ignorieren die Alten. Wir veraltern unsere Umgebung und verjüngern uns selbst. Wir ehren die Vergangenheit und ignorieren die Zukunft. Und sowieso, die vergangenen Zeiten haben etwas, das wir scheinbar vergessen haben: Zeit. Was ist diese Zeit und wo kommt sie her? Durch Forschung, Technologie und unnachvollziehbare Berechnungen haben wir unsere zeitliche Effizienz gesteigert, also sollten wir entspannter sein denn je. - Das war eine rhetorische Aussage, wenn es sowas gibt. - Wie schön, dass wir gegen den Kapitalismus ein Rudel gebildet haben, das auf öffentlichen Plätzen campiert, mit dem iPhone in der Hosentasche. Kann man nachverfolgen, wie viele E-Mails, Facebook-Posts, Tweets und SMSn vom Zuccotti Park vom 17. September bis zum 15.November versendet wurden? Dagegen einen Statistik wie viele Postbriefe am gleichen Platz in der gleichen Zeit aufgegeben wurden? Wir haben also etwas verbessert ohne eine Verbesserung zu erhalten. Das ist wie die Bilder auf dem WC Papier, der direkte Nutzniesser hat am Ende nichts davon. Wir versuchen Zeit zu sparen, weil wir nicht wissen wie sie überbrücken. Was würde man heute machen, wenn man drei oder vier Tage auf eine Antwort warten müsste? Uns fehlen die Ideen!

Los Rudel … lasst uns wieder zusammen Zeit verschwenden. Wie damals, frag mal Opa!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen